Klappbrücke Wolgast – Langzeitbelichtung
Klappbrücke über den Peenestrom in Wolgast vom Festland zur Insel Usedom
Ort & Situation
Im Winter/Frühjahr 1996/97 arbeitet ich mehrere Wochen an der neuen Peenebrücke in Wolgast. Die Brücke ist eine kombinierte Straßen- und Eisenbahn-Klappbrücke über den Peenestrom. Sie verbindet die Insel Usedom mit der Wolgaster Schlossinsel, die über die Schlossgrabenbrücke und eine getrennte Eisenbahnbrücke mit dem vorpommerschen Festland verbunden ist. Neben meinem Bauingenieurstudium arbeitet ich zu dieser Zeit für eine schwäbische Firma und baute mit meinen Kollegen die Fahrbahnübergänge zwischen den einzelnen Brückenabschnitten ein. Als wir direkt an der Hebebrücke mit dem klappbaren Abschnitt arbeiteten, mussten wir in den Abendstunden zu Testzwecken unsere Arbeiten regelmäßig unterbrechen. Dann wurde von den Ingenieuren und Technikern die Steuerung und Hydraulik zum Hochklappen der Brücke getestet. Gelegentlich wurde das Bauwerk dann komplett hoch- und wieder heruntergeklappt. In dieser Zeit schauten wir eindrucksvoll zu, wie sich vor unseren Augen plötzlich ein 50 m langer Straßenabschnitt in nur wenigen Minuten senkrecht stellte. Um das Spektakel auch ausreichend beobachten zu können, drehten wir zur Ausleuchtung unsere Baustellenscheinwerfer gegen die Unterseite der Klappe.
Idee
Da ich mich in dieser Zeit auch mit Fotografie und insbesondere mit dem Thema Langzeitbelichtung intensiv auseinandersetze, kam mir die Idee, die Bewegung der Klappe auf einem Foto festzuhalten. Ich hatte meine Nikon F 601 immer dabei und untersuchte mit dem eingebauten Belichtungsmesser die Helligkeit des Bauwerks. Ich errechnete bei der vorhandenen Strassenbeleuchtung, schwachen aber gleichmäßigen Baustellenlicht und mit zusätzlicher Ausleuchtung der Klappe mit unseren Bausscheinwerfern eine längstmögliche Belichtungszeit von ca. 30 Sekunden. Dazu benötigte ich bereits die kleinstmöglicher Blende meines Teleobjektivs, einen ASA 50 Film und zusätzlich alle aufschraubbaren Objektivfilter die ich in meiner Ausrüstung finden konnte um den Lichteinfall zusätzlich zu vermindern. Da aber ein kompletter Hubvorgang bei normaler Geschwindigkeit ca. 6 bis 10 min dauerte hatte ich erstmal ein Problem!
Umsetzung
Nach dem ich mir die halbe Nacht den Kopf zerbrach, kam mir der Gedanke, ich müsste die Aufnahme mit meinem lichtschwächeren Teleobjektiv machen. Damit kann ich gegenüber dem Weitwinkelobjektiv die Lichtmenge gewiss halbieren und die Belichtungszeit verdoppeln. Ich kletterte also am nächsten Abend auf die sich noch im Betrieb befindliche alte Peenebrücke nebenan und machte meine Messungen. Tatsächlich konnte ich eine vier mal längere Belichtungszeit einkalkulieren. Damit hatte ich immerhin schon zwei Minuten anstatt 30 Sekunden für die Aufnahme Zeit. Würde ich dennoch das Negativ dreimal länger belichten, nämlich 6 Minuten so lange der Hub dauerte, wäre die Aufnahme völlig überbelichtet und unbrauchbar. Wie konnte ich also die Belichtungszeit zusätzlich verlängern ohne den Film überzubelichten? Kameratechnisch war alles ausgereizt. Einen noch unempfindlicheren Film als ASA 50 bekam ich so schnell nicht besorgt. Da vielen mir die Szenen aus Filmen ein, in denen es zu den Anfängen der Fotografie noch keinen Verschluss gab und Familienfotos gemacht wurden bei denen alle Beteiligten mehrere Sekunden stillhalten mussten. Dann nahm der Fotograf sein schwarzes Tuch und verhängte den Apparat wieder um kein weiteres Licht einfallen zu lassen die die Aufnahme zerstörte könnte. So wurde mir klar, wie ich mein Problem löste. Indem ich während der Aufnahme das Objektiv von außen verdunkelte. Ich brauchte also nur den Verschluss offen zu lassen und 2/3 der Belichtungsdauer die Hand vor das Objektiv halten und die tatsächliche Belichtungszeit ist auf zwei Minuten reduziert. Zudem könne ich nachher mit einem spannenden Effekt rechen, da die Aufnahme zeitweise unterbrochen wird. Ich entschied mich die Gesamtbewegung in 10 Belichtungsabschnitte aufzuteilen. Das bedeutete nach 12 Sekunden Belichtung musste 24 Sekunden abgedunkelt werden. Die Ingenieure aus der Leitzentrale der Brücke bat ich ihre nächste Testfahrt am kommenden Abend durchzuführen und meine Kollegen von der Baustelle alle verfügbaren Baustellenscheinwerfer aufzustellen um während des Hubvorgangs die Klappe von unten auszuleuchten. Alle unterstützten mich, waren von meinem Vorhaben begeistert und machten sich lediglich Sorgen, dass ich während der Aufnahme von der vereisten Fachwerkbrücke falle. Freundlicherweise spendierten mir die Ingenieure eine zusätzliche Testfahrt, sodass ich 4 Versuche für die Aufnahme hatte, zwei hoch und zwei runter. Zu einer verabredeten Uhrzeit ging’s dann los und meine Berechnungen sollten richtig gewesen sein. Was dabei herauskam, können Sie sich auf den Bildern anschauen.